Sozialphobie

Soziale Angststörung (Sozialphobie)

Die soziale Angststörung ist (nach Depressionen und Alkoholproblemen) die dritthäufigste psychische Störung und die häufigste Form einer Angststörung. Die Betroffenen leiden unter sehr großen Selbstzweifeln und übertriebenen Sorgen, dass sie von anderen negativ bewertet oder abgelehnt werden könnten. Bestimmte soziale Situationen werden daher vermieden und es kommt zu erheblichen Beeinträchtigungen in sozialen und beruflichen Lebensbereichen.

 

Die verborgene Krankheit

In vielen Fällen wird die soziale Angststörung gar nicht als Krankheit erkannt. Die Betroffenen selbst und ihr Umfeld haben sich an die „Schüchternheit“ gewöhnt und es wird keine Hilfe gesucht, obwohl der Kontakt mit anderen Menschen eine innerliche Qual ist. Sie haben Angst, von anderen als schwach, verrückt, dumm, langweilig, eingeschüchtert oder unsympathisch wahrgenommen zu werden oder dass sie durch ihre Angstsymptome wie zum Beispiel Erröten, Zittern, Schwitzen, Stottern oder Starren erst recht unangenehm auffallen könnten. Auch die Angst, andere Menschen zu beschämen oder von ihnen zurückgewiesen zu werden, ist weit verbreitet.

Um das ausgesprochen unangenehme Gefühl der Angstsymptomatik zu vermeiden, weichen Menschen mit Sozialphobie sozialen Situationen wie Zusammenkommen in Gruppen, Referaten und Ähnlichem aus, oder sie versuchen, soziale Situationen möglichst übersichtlich und kontrollierbar zu gestalten. Sie leiden folglich unter beträchtlichen Problemen im sozialen, schulischen und beruflichen Kontext. Beispielsweise studieren Betroffene ewig, weil sie immer wieder nicht zu den Prüfungen gehen; oder sie bleiben in Berufen, die für sie keine Erfüllung bedeuten, weil sie es nicht schaffen, eine neue Ausbildung in Angriff zu nehmen und an den dafür notwendigen Ausbildungssettings teilzunehmen. Viele sind sehr einsam und verspüren einen großen Wunsch nach einer Paarbeziehung, schaffen aber keine Kontaktaufnahme mit potentiellen Partner*innen, zumal die Angst vor einer Ablehnung zu groß ist.


 

Die 4 Kategorien der sozialen Angst

Soziale Ängste sind wie alle anderen Formen von Angst normale Gefühle, die als Reaktion auf bedrohlich, ungewiss oder unkontrollierbar beurteilte Ereignisse, Situationen und Vorstellungen auftreten. Von einer Angststörung im Sinne einer behandlungsbedürftigen Krankheit sprechen wir dann, wenn die Ängste zu unangemessen, zu stark, zu häufig und ohne tatsächliche, reale Bedrohung auftreten. Durch ausgeprägte Erwartungsängste werden objektiv ungefährliche Situationen vermieden und es kommt zu erheblichen Lebenseinschränkungen, welche bei den Betroffenen starkes Leiden verursachen, da keine Bewältigungsstrategien zur Verfügung stehen. In einer Psychotherapie können Sie die für Sie passenden Bewältigungsstrategien erarbeiten, damit Ihre Ängste wieder zu normalen Gefühlen werden.

Für die Diagnose einer sozialen Angststörung sind einerseits das Ausmaß der erlebten Angst und andererseits die verfügbaren Sozialkompetenzen der Person relevant. Durch mangelnde soziale Fertigkeiten (bezogen auf die soziale Wahrnehmung, Kontaktaufnahme, Gesprächsführung, Kritik- und Konfliktfähigkeit, Forderungen stellen, Wünsche äußern, sich abgrenzen und Nein sagen können) entsteht ein sozial inadäquates Verhalten, welches vermieden wird, anstatt passende soziale Interaktionsmuster zu erproben und zu entwickeln.

Es lässt sich zwischen vier Kategorien sozialer Angst unterschieden:

  • Niedrige soziale Angst und niedrige soziale Defizite (das gilt als „normale“ soziale Angst, z.B. Lampenfieber),

  • Hohe soziale Angst und niedrige soziale Defizite (dies ist eine Phobie und eher leicht behandelbar),

  • Niedrige soziale Angst und hohe soziale Defizite (hier spricht man von Defiziten, die aber schwieriger und langfristiger zu behandeln sind) und

  • Hohe soziale Angst und hohe soziale Defizite (in diesem Fall bedarf es einer aufwendigen und langwierigen Behandlung).

 

 

Die spezifische und die generalisierte Sozialphobie

Es können zwei Subtypen der sozialen Angststörung beschrieben werden: die spezifische Sozialphobie und die generalisierte Sozialphobie.

Die spezifische Sozialphobie beginnt oft mit situativ bedingten Panikattacken im Alter von 16 oder 17 Jahren. Sie bezieht sich auf Reden, Essen, Schreiben, Leistungssituationen in Anwesenheit anderer Menschen. Da in allen anderen Bereichen eine gute soziale Funktionsfähigkeit gegeben ist, ist es für die Umwelt nicht erklärlich, warum die Betroffenen plötzlich nicht mehr als kontaktfreudig und selbstbewusst erscheinen und unter körperlichen Angstsymptomen leiden. Ein Spezialfall der spezifischen Sozialphobie sind massive Prüfungsängste (Angst in der Zeit der Prüfungsvorbereitung und Angst während der Prüfung): durch die großen Versagensängste und das niedrige Selbstbewusstsein wird das eigene Versagen einer Ablehnung der eigenen Person gleichgesetzt.

Die generalisierte Sozialphobie kann bereits mit 11 oder 12 Jahren auftreten und die Ängste betreffen öffentliche Leistungssituationen genauso wie andere soziale Situationen, beispielsweise die Kontaktaufnahme mit Fremden. Die Betroffenen haben große Sozialkompetenzdefizite; dabei sind soziale Fähigkeiten manchmal aber durchaus vorhanden, sie können nur nicht ausreichend umgesetzt werden. Durch die schweren Beeinträchtigungen in allen Lebensbereichen können soziale, schulische und berufliche Probleme auftreten.

 

 

Die psychodramatische Behandlung der sozialen Angststörung

Menschen mit einer sozialen Angststörung fällt es manchmal besonders schwer, sich auf eine Psychotherapie einzulassen. Durch Angst vor Kritik und Bewertung, möglicherweise Verzweiflung und Frustration nach dem jahrelangen Leid können auch die Therapiestunden von manchen zu Beginn als bedrohliche Situation wahrgenommen werden und große Angst auslösen. Vertrauen muss erst aufgebaut werden und braucht noch mehr Zeit und Behutsamkeit als sonst. Als Ihre Therapeutin liegt es mir sehr am Herzen, ein unterstützendes, sicheres und nicht wertendes Umfeld zu schaffen, in dem Sie sich wohlfühlen und ermutigt werden, mit Ihrer sozialen Angst in Kontakt zu treten, um sie zu verstehen und zu lernen, gut mit ihr leben zu können.

Neben dem Erlernen von Beruhigungsstrategien werden die Ursprünge, Hintergründe und aufrechterhaltende Faktoren wie unbewusste Ziele, unrealistische Erwartungen und Werteinstellungen erforscht. Durch die psychodramatische Arbeit mit alltäglichen Szenen aus Ihrem Leben versuchen wir Ihre Sozialkompetenzen zu erweitern und Ihren Selbstwert zu erhöhen. Ziel ist es, sich kennen und akzeptieren zu lernen, mit den jeweiligen Bedürfnissen, Gefühlen, Konflikten, Stärken und auch Schwächen. Das bewusste Wahrnehmen der eigenen Gefühle wie Scham, Schuld, Traurigkeit, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Wut auf sich selbst aber auch Freude, Stolz, Zufriedenheit oder Mut hinter dem dominanten Gefühl der Angst ist entscheidend für einen dauerhaften Therapieerfolg.

02.10.2024